Born to Birth? Warum Mutterschaft keine biologische Pflicht ist
Die Idee, dass Frauen „zum Gebären gemacht“ seien, ist kein Naturgesetz, sondern eine kulturelle Erzählung. Dieser Text geht ihren Wurzeln nach – zwischen Biologismus, Religion, Kolonialismus und Selbstbild – und lädt dich ein, deinen Körper jenseits alter Rollenbilder zu entdecken.
Lea Neumeyer
11/4/20253 min read
Hinweis: Wenn in diesem Text von „Frauen“, „weiblich“ oder von “Männern”, „männlich“ die Rede ist, sind damit keine starren biologischen Kategorien gemeint, sondern gesellschaftlich und historisch geformte Begriffe.
Ich spreche über Körper, die in medizinischen, kulturellen und politischen Diskursen als „weiblich“ oder „männlich“ markiert wurden – unabhängig davon, wie Menschen sich selbst identifizieren oder erleben. Körper, Geschlecht und Identität sind vielfältig. Sprache hier ist Annäherung, kein Ausschluss.
Ja: Frauen können schwanger werden.
Aber daraus folgt nicht automatisch, dass sie es wollen, müssen oder dass das ihre Essenz ist.
Die Idee, dass Fortpflanzung das „Ziel“ sogenannter “weiblicher” Existenz sei, ist kein biologisches Faktum. Sie ist eine kulturelle Erzählung, entstanden in bestimmten historischen Momenten, um gesellschaftliche Ordnung zu sichern und Hierarchien zu stabilisieren.
Die Wurzeln: Patriarchat & Biologismus im 18. und 19. Jahrhundert
Mit der Aufklärung und dem Aufstieg der Naturwissenschaften begann eine Zeit, in der (meist männliche) Wissenschaftler den „weiblichen Körper“ zum Objekt erklärten. Anatomie, Biologie und Anthropologie machten Fortpflanzung zur „Naturaufgabe“ der Frau.
Gebärmutter, Brüste, Menstruation – alles wurde nicht als Teil einer vielfältigen körperlichen Landschaft verstanden, sondern als Beweis für Bestimmung:
„Du hast das Organ – also ist das dein Sinn.“
Gleichzeitig wurde Frauen der Zugang zu Bildung, politischer Mitsprache und ökonomischer Selbstständigkeit verweigert – mit der Begründung, ihre „Natur“ sei emotional, mütterlich, häuslich.
Diese Ideologie trägt einen Namen: biologistischer Determinismus. (Wichtiges Wort für das feministische Wörterbuch) Sie war nicht neutral, sondern diente dazu, patriarchale Machtverhältnisse wissenschaftlich zu untermauern – eine Art „wissenschaftlicher Mythos“, der bis heute nachwirkt.
Religion und Kolonialismus mischten kräftig mit
In der christlich-patriarchalen Tradition galt die Gebärmutter als Symbol für Reinheit und Gehorsam. Eva wurde für die „Sünde der Erkenntnis“ bestraft – und Gebären zur Buße erklärt:
„In Schmerzen sollst du Kinder gebären.“
Auch der Kolonialismus nutzte reproduktive Fähigkeiten zur Kontrolle:
Während weiße, bürgerliche Frauen Kinder „für die Nation“ gebären sollten, wurden weiblich gelesene BIPoC häufig zwangssterilisiert, medizinisch ausgebeutet oder als Gebärende für koloniale Arbeits- und Bevölkerungspolitik instrumentalisiert.
In beiden Fällen galt dasselbe Prinzip: Der Körper als Werkzeug gesellschaftlicher Ordnung.
Das „intrinsische Wollen“ – wie Ideologie zu Gefühl wird
Über Generationen lernen Menschen, dass “Weiblichkeit” mit Fürsorge, Mutterschaft und Selbstaufopferung gleichgesetzt wird. Diese Zuschreibungen prägen nicht nur gesellschaftliche Erwartungen, sondern auch das Selbstbild.
Wenn wir ständig hören, dass Fruchtbarkeit gleichbedeutend mit Wert ist, dann wird das Begehren nach Mutterschaft irgendwann „natürlich“. Doch natürlich heißt hier: sozial gelernt, emotional tief verankert, kulturell belohnt. Und die Belohnung spielt hier nicht eine minder große Rolle (ich werde darauf noch in einem anderen Blogartikel eingehen.)
Das heißt nicht, dass dieses Begehren unecht ist – im Gegenteil. Es ist real, fühlbar, bedeutungsvoll. Aber es ist nicht die einzige oder wahre Ausdrucksform von Fürsorge und Lebenskraft.
Biologisch gibt es keinen Instinkt, der befiehlt: „Du musst Kinder bekommen.“ Punkt.
Es gibt hormonelle Prozesse, die Bindung, Nähe und Fürsorge fördern – etwa durch Oxytocin –, aber diese Fähigkeiten sind menschlich, nicht weiblich.
Empathie, Kreativität, Pflege, Verantwortung – all das kann sich in Beziehungen, Freund*innenschaften, Projekten, Kunst oder Aktivismus ausdrücken. Die Fähigkeit zur Liebe und Fürsorge ist nicht an Gebärmutter oder Mutterschaft gebunden.
Aber warum haben einige Menschen dann einen Uterus?
Eine berechtigte Frage.
Ja – der Uterus ist ein Organ, das Schwangerschaft ermöglichen kann.
Aber ein Organ zu haben bedeutet nicht, dass seine potenzielle Funktion das Ziel unseres Lebens ist.
Wir haben Lungen, aber nicht alle werden Sänger*innen.
Wir haben Hände, aber nicht alle werden Bildhauer*innen.
Wir haben einen Uterus – und das bedeutet, dass unser Körper fähig sein kann, Leben zu tragen.
Nicht, dass wir müssen.
Biologisch betrachtet ist der Uterus Teil eines komplexen Systems hormoneller, nervaler und emotionaler Verbindungen, die weit über Fortpflanzung hinausgehen:
Er reagiert auf Stress, Bewegung, Zuneigung, Schmerz, Lust. Er ist sensibel, durchblutet, eingebunden in den gesamten Körperrhythmus. Viele Menschen erleben ihren Uterus als Zentrum von Energie, Kreativität oder Intuition – unabhängig davon, ob sie jemals schwanger werden (möchten).
Die kulturelle Reduktion des Uterus auf „Kinderkriegen“ ist also nicht naturgegeben, sondern ein Bedeutungsverlust. Sie hat uns vergessen lassen, dass dieses Organ mehr kann, als Leben zu gebären – es fühlt, pulsiert, erinnert, reagiert.
Vielleicht geht es also nicht darum, wozu wir ihn haben, sondern wie viel mehr er ist, als man uns beigebracht hat zu sehen.
💭 Wie würdest du deinen Uterus,/deine Gebärmutter beschreiben, wenn niemand dir je gesagt hätte, was er/sie ist oder sein soll?
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Das Begehren nach Mutterschaft kann tief, schön und echt sein – aber es ist eine Möglichkeit, nicht die Natur.
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